Hel – Herrscherin über die Unterwelt und Wächterin der verborgenen Seelen

Hel ist die düstere, geheimnisvolle Herrscherin über das Reich der Toten, das denselben Namen trägt wie sie selbst: Hel. Sie ist die Tochter Lokis und der Riesin Angrboda und damit Schwester von Fenrir und Jörmungandr. Ihre Gestalt wird oft als halb lebendig und halb verwest beschrieben – eine eindrucksvolle Verkörperung des Übergangs zwischen Leben und Tod. Zu ihren wichtigsten Symbolen gehören der Schädel, die Schwarze Farbe und das Reich der Nebel, das sie lenkt.

Das Totenreich Helheim ist der Ort, an den all jene gelangen, die eines natürlichen Todes sterben: Alte, Kranke oder Menschen, die nicht im Kampf gefallen sind. Es ist kein Ort der Bestrafung, sondern ein Reich der Ruhe, Stille und Trennung von den Lebenden. Hel herrscht dort mit strenger, aber nicht bösartiger Hand. Ihre Rolle ist nicht die einer Folterin, sondern die einer Hüterin des Unvermeidlichen.

In den Mythen wirkt Hel distanziert, aber nicht grausam. Sie ist pflichtbewusst, unbeirrbar und felsenfest in ihrer Aufgabe. Selbst die Götter wagen es kaum, ihre Macht infrage zu stellen. Besonders deutlich wird dies in der Erzählung von Baldrs Tod: Als die Götter sie darum bitten, Baldr in die Welt der Lebenden zurückkehren zu lassen, fordert Hel einen Beweis der Trauer von allen Wesen der Welt. Da nur eine einzige Gestalt – vermutlich Loki in Verkleidung – sich weigert zu weinen, bleibt Baldr in der Unterwelt. Dies zeigt, wie unbestechlich Hel ist und wie sehr sie an Ordnung und kosmische Gesetze gebunden bleibt.

Hel wirkt in vielen Geschichten wie eine neutrale Macht. Sie steht abseits von Gut und Böse und repräsentiert das, was unausweichlich ist. Ihr Reich liegt unter Wurzeln und Nebeln, ein Ort, an dem Zeit und Emotion verblassen. Dennoch ist Hel keine Feindin der Lebenden, sondern Teil eines göttlichen Gleichgewichts. Ohne das Ende gibt es keinen Anfang, und ohne Ruhe keine Wiedergeburt.

In ihr verbindet sich die melancholische Würde des Todes mit der strengen Beständigkeit eines kosmischen Gesetzes. Hel ist die Erinnerung daran, dass selbst im Dunkel Ordnung herrscht – und dass der Tod nicht Vernichtung bedeutet, sondern den tiefen Schlaf vor dem nächsten Wandel.