Kleidung der Wikinger - Materialien, Stil und Funktion im Alltag des frühen Mittelalters

Die Kleidung der Wikinger war weit mehr als nur praktische Alltagsbekleidung – sie spiegelte Status, Herkunft, Klima und handwerkliches Können wider. Zwischen dem 8. und 11. Jahrhundert entwickelten die Menschen in Skandinavien eine Kleidungsweise, die sowohl funktional als auch ästhetisch war. Archäologische Funde aus Haithabu, Birka und Oseberg geben heute ein recht genaues Bild darüber, wie sich Wikinger in Alltag und Festkultur kleideten.

Materialien: Wolle, Leinen und seltene Luxusstoffe

Das nordische Klima verlangte Kleidung, die warm, widerstandsfähig und wetterfest war. Hauptmaterialien waren:

• Wolle: Am häufigsten verwendet, ideal für Tuniken, Mäntel, Umhänge und Hosen. Wolle isolierte sehr gut – selbst bei Nässe.
• Leinen: Leichtere Stoffe für Unterkleidung, Sommerkleidung und Hemden. Leinen war angenehm auf der Haut und hygienischer.
• Tierfelle: Besonders im Winter wurden Pelze von Schafen, Ziegen oder Füchsen genutzt.
• Seide: Ein Luxusgut, das über Handelskontakte aus dem Orient und aus Byzanz importiert wurde. Seide war kostbar und wurde nur von wohlhabenden Personen getragen.
• Leder: Genutzt für Schuhe, Gürtel, Handschuhe und manchmal für verstärkte Kleidungsschichten.

Die Wikinger besaßen ausgeprägte Fähigkeiten im Färben von Stoffen. Sie verwendeten Pflanzen wie Waid (blau), Krapp (rot) oder Birkenrinde (braun). Daher war die Vorstellung, Wikinger hätten nur graue und braune Kleidung getragen, historisch falsch – kräftige Farben waren durchaus verbreitet.

Kleidung der Männer

Typische Männerkleidung bestand aus mehreren Schichten:

• Tunika: Ein knielanges Woll- oder Leinenhemd mit langen Ärmeln, oft mit Stickereien oder Borten verziert.
• Hosen: Je nach Region und Mode trugen Männer eng anliegende Hosen, weite Hosen oder Wickelhosen. Beinwickel aus Wolle boten zusätzlichen Schutz.
• Gürtel: Aus Leder, oft mit verzierten Schnallen. Am Gürtel hingen Messer, kleine Beutel oder Werkzeuge.
• Mantel oder Umhang: Ein rechteckiges Wolltuch, meist mit einer Fibel an der Schulter befestigt.

Schuhe bestanden aus robustem Leder und wurden in einem Stück genäht, oft mit weichen Sohlen – zwar weniger stabil, aber ideal für das Leben auf Schiffen und im Gelände.

Kleidung der Frauen

Frauen trugen Kleidung, die sowohl praktisch als auch dekorativ war:

• Unterkleid aus Leinen: Lang, leicht und atmungsaktiv.
• Schürzenkleid (Hängerock): Typisch für die Wikingerfrauen, aus Wolle gefertigt und mit zwei ovalen Ovale-Fibeln an den Schultern befestigt.
• Mantel oder Schal: Für Wärme und Schutz.
• Perlen und Schmuck: Oft zwischen den Ovale-Fibeln befestigt; Fundstücke zeigen, dass Perlenketten ein gängiges Schmuckelement waren.

Frauenkleidung war häufig kunstvoll verziert. Stickereien, Borten und gewebte Muster galten als Zeichen von Wohlstand und Können.

Kinderkleidung

Kinder trugen ähnliche Kleidung wie Erwachsene – nur kleiner und einfacher. Funktionalität stand im Vordergrund. Erst im Jugendalter begann die Anpassung der Kleidung an sozialen Status und Geschlechterrollen.

Kopfbedeckungen und Accessoires

Die Wikinger nutzten eine Vielzahl an Kopfbedeckungen: Wollmützen, Lederkappen und in kälteren Regionen sogar fellgefütterte Hüte. Schmuck spielte eine große Rolle – Fibeln, Broschen, Ringe und Armreifen wurden nicht nur als Verzierung, sondern auch zur Befestigung von Kleidungsstücken genutzt. Silber- und Bronzeobjekte geben Hinweise auf Handwerkskunst und soziale Schichtung.

Mode und Bedeutung im sozialen Kontext

Kleidung war ein klarer Marker für Wohlstand und Rang. Fein gearbeitete Stoffe, farbenprächtige Tuniken oder aufwendiger Schmuck zeigten die Stellung innerhalb der Gemeinschaft. Auch kulturelle Einflüsse durch Handel und Reisen prägten den Stil: In Birka fand man beispielsweise Kleidungsstücke, die deutlich von byzantinischen oder slawischen Designs inspiriert waren.